18. September - Surettahorn 3027 m
Im Programm war der Piz Tambo angekündigt. Da der Wetterbericht jedoch Schnee ankündigte, entschied ich mich für eine Ersatztour. Favorit war das Surettahorn, gut 200 Hm niedriger als der Tambo. Am Tag vor der Tour hatte ich die Webcams im Splügengebiet aufgerufen. Der Tambogipfel war mit Schnee überzogen. Beim Surettahorn war nichts zu sehen. Im Süden blauer Himmel. Bei uns immer wieder Regen.
Am Sonntag auf dem Splügenpass ein Situationscheck. Das Wetter kalt, trocken, Wolkenfelder, leichter Nordwind. Die Teilnehmer fit und gut drauf. Auf geht’s, der Westgrat lockt.
Auf dem gut markierten Bergweg stiegen wir zum Lago Azzurro auf. Hier verliessen wir den Bergweg und orientierten uns am Grat. Immer vorausschauend, wo es am geeignetsten zum Steigen ist. Ab etwa 2500 m Höhe lagen nordseitig ca. drei Zentimeter Schnee. Konzentriertes Auftreten und Halten war wichtig. Alle machten das bestens. Eine starke Truppe. Man hilft sich gegenseitig. Auf Reibung zu gehen war wegen des Schnees nicht immer möglich. Viele Tritte und Griffe lagen unter dem Schnee. Eine Passage mussten wir nordseitig umgehen. Bei Plusgraden eine lebendige Schutthalde, heute gefroren. Stabil, aber anspruchsvoll, Tritte zu setzen.
Wir kamen stetig voran, langsamer als geplant, der Schnee verlangte ganze Aufmerksamkeit. Volle Konzentration war gefordert. Eben alpines Gelände.
Wenige Meter nach dem Gipfel des Inneren Schwarzhorn kamen wir zur Schlüsselstelle. Auweia! Diese hatte ich nicht mehr auf dem Radar! Obwohl ich 2016 diese Tour schon gemacht hatte, war mir diese Schlüsselstelle nicht mehr präsent. Ich hatte es versäumt, das Topo nochmals zu studieren. Für die Schwierigkeiten der Schlüsselstelle im IV. Grad und A0 war es einfach viel zu riskant, ohne Sicherung dort hoch zu klettern. Ich suchte nach einer Umgehung. Aber es fand sich keine Möglichkeit. Kein Wunder, schliesslich ist die Schlüsselstelle die beste Möglichkeit, die Route weiter zu gehen. Sonst wäre es auch nicht die Schlüsselstelle. Egal wie schwierig die Schlüsselstelle ist.
Was nun? Vorwärts ist nicht möglich. Ebenso kein Notabstieg über die Flanken. Wieder zurück? Alles abklettern? Nochmals fünf Stunden? Abklettern ist schwieriger und heikler als hoch. Wie lange hält unsere Energie noch? Wir waren bereits fünfeinhalb Stunden in voller Konzentration unterwegs.
Es blieb mir keine andere Wahl, ich musste die Rega um Hilfe anrufen. So meldete ich der Rega unseren Standort und Situation. Nach etwa einer Stunde kam der Helikopter angeflogen, flog einen Bogen um uns und drehte ab. Der Heli setzte einen Flughelfer, Tragbahre und Erste Hilfe-Taschen beim Lago Azzurro ab. Wenige Minuten danach kreiste er wieder über uns. Ein zweiter Flughelfer wurde an der Winde zu uns herabgelassen. Kurze Rückfrage zu Verletzungen oder medizinischen Problemen. Glücklicherweise konnten wir diese Fragen verneinen. Innert fünf Minuten waren die ersten zwei Personen für die Bergung flugbereit. Jeweils zwei Personen wurden gleichzeitig vom Grat hinab zum Lago Azzurro geflogen. Ein ungewohntes Gefühl, vom Heli angehoben und mit sehr viel Luft unter den Füssen durch die Landschaft zu fliegen.
Vier Rotationen, dann standen wir alle wieder wohlbehalten beim Lago. Der Pilot landete und nutzte die Zeit für eine Pause, während die anderen Crewmitglieder Bahre und Rettungsmaterial einluden. Ein kurzer Schwatz mit der Crew, dann mussten sie wieder zur Basis zurück.
Vom Lago Azzurro war es noch eine Stunde bis auf den Splügenpass hinunter. Unten in Splügen gab es natürlich den fast obligaten Einkehrschwung. Wo? Natürlich im Restaurant Suretta.
Als Tourenleiter ist es mir gelungen, den Teilnehmern ein eindrückliches Erlebnis am Berg zu bieten und wieder alle gesund ins Tal zu bringen. Für die Planung erhalte ich dieses Mal keine Punkte. Sorry. Über die Folgekosten kann ich noch nichts berichten. Wie es schlussendlich auch ausgehen wird, ich bleibe Regagönner.
Peter Frick